Als Obdachloser ist die Wahl des richtigen Platzes entscheident für die Höhe der „Einkünfte“

 

Das Bettelgeschäft läuft schlecht. Ich wechsle den Platz. Innerhalb der nächsten zwei Stunden werde ich übersehen, überhört, bis mir eine Frau 70 Cent gibt. Spiele ich so schlecht? Na ja, ich habe keine Hits drauf oder Evergreens und so. So komme ich jedenfalls nicht weiter… Mit einem Brot aus dem Backshop im Rucksack laufe ich los auf einem Uferwanderweg und bin voller Erinnerungen an einen gemeinsamen Urlaub in Thüringen, in dem wir zu zweit an der Saale entlang geradelt sind.
Mein Blick hat sich verändert. Ich scanne die Landschaft und Grundstücke, wo mein nächster Schlafplatz sein könnte – dort eine Nische unter einer Brücke, da ein verfallener Hof und im Ortseingang von Schwarzenbach ein parkartiges Gelände, das einen Unterstand hat… Mein Weg führt zum Bahnhof, um zu sehen, wie ich unter Umständen weiter kommen könnte. Dann zum EDEKA-Markt. Ich setze mich vor die Tür und spiele auf der Mundharmonika. Was dann los geht, ist überwältigend. In meiner Mütze sammeln sich so viele Münzen, wie ich es bisher noch nicht erlebt habe. Auch Jugendliche sind unter den Gebenden. Eine Frau schenkt mir dazu eine Brezel. Auf der anderen Seite des Eingangs arbeitet in einem Dönerwagen ein junger Türke. „Haben Sie Hunger?“ Er macht mir einen Döner. Die Bierdose lehne ich freundlich ab, habe mein Wasser dabei. Er fragt, ob ich Kinder hätte. „Ja, vier, aber die sind alle schon groß.“ Das Entsetzen steht ihm ins Gesicht geschrieben. „Das gäbe es bei uns nicht! Da kümmern sich die Kinder um die Eltern, wenn sie in Schwierigkeiten sind! Kein Sohn würde seinen Vater auf der Straße sitzen lassen!“ Ich muss ihn beruhigen, so entrüstet ist er und ich versuche, ihm klar zu machen, dass das für mich im Moment in Ordnung ist…